
Radbrücke in Auerbach/Vogtland © Frank Rumpenhorst | ADFC
Radfahren auf dem Land: Mal eben mit dem Rad in den Nachbarort
Die Stadt Auerbach im Vogtland und der Kreis Steinfurt zeigen, wie mehr Radverkehr auch in ländlichen Gegenden funktioniert. Zum Erfolgsrezept gehören: gemeinsame Konzepte und konkrete Absprachen.
Von der Anhöhe am Neuberg blicken die Radfahrer:innen bis zum Horizont auf bewaldete Hügel, Felder und ganz viel Himmel. Der neue Radweg, der Auerbach im Vogtland mit der Nachbargemeinde verbindet, zählt zu den grünsten Fahrradstraßen Deutschlands. Vor kurzem noch ein holpriger Feldweg, ist er nun eine glatte Fahrradstraße und ein Symbol für den Mobilitätswandel vor Ort.
Ländliche Gegenden wie Auerbach gelten oft als das Sorgenkind der Verkehrswende. Der Weg zur Schule, zu Freunden oder zum Sport im Nachbarort erscheint vielen Politiker:innen mit dem Fahrrad zu weit. Doch seit der Elektrifizierung der Fahrräder spielen Distanzen nur noch eine Nebenrolle. Selbst untrainierte Radfahrende bewältigen per E‑Bike Strecken von zehn Kilometern und mehr. Entscheidend für den Umstieg vom Auto aufs Rad sind sichere Radwege. Die Politik im sächsischen Auerbach und im Kreis Steinfurt (Nordrhein-Westfalen) hat das erkannt. Dort plant man seit Jahren die Radinfrastruktur über die Grenzen von Stadt, Kreis und Land hinaus. Entscheidend dafür ist der politische Wille, konkrete Ziele, verabschiedete Konzepte und eine Person, die das Projekt vorantreibt.
Auerbach/Vogtland (17.500 Einwohner) hat sich für die nächsten zehn Jahre viel vorgenommen. „Wir wollen die Radweg-Infrastruktur verdoppeln“, sagt Knut Kirsten, Amtsleiter für Bildung, Soziales und Sport in Auerbach und verantwortlich für den Ausbau des Radnetzes in der Region. Wenn die Verwaltung so weitermacht wie bisher, kann die Stadt das ehrgeizige Ziel erreichen. Für den neuen Radweg am Neuberg benötigte die Verwaltung von der Planung bis zur Eröffnung nur rund zwei Jahre.
Einbahnstraßen für Radverkehr öffnen
Außerdem hat die Verwaltung in den vergangenen Jahren 150 Schilder installiert, um Einbahnstraßen für den Radverkehr zu öffnen – im Rahmen des Projekts LimA (Landverkehr ist mehr als ein Auto). Laut Kirsten erhöht das die Sicherheit. „Wenn ich sämtliche Einbahnstraßen für den Radverkehr öffne, wissen Autofahrer, dass sie in Auerbachs Einbahnstraßen mit Radfahrenden rechnen müssen“, sagt er.
Mit diesem Vorgehen ist die Stadt Vorreiter in der Region. Manche der drei Nachbarstädte und ‑gemeinden würden die bewährten Maßnahmen gerne übernehmen. Doch dort sind andere Straßenverkehrsämter zuständig und müssen die Markierungen oder Beschilderungen genehmigen, was nicht immer gelingt.
Im vergangenen Jahr hat Auerbach mit zwei weiteren Städten und einer Gemeinde aus dem Städteverbund Göltzschtal ein gemeinsames Radverkehrskonzept erstellt, dass den Ausbau regelt. Sie wollen den Radverkehr im Tal entlang der Göltzsch für Alltags- und Freizeitradler sicher ausbauen und Angebote wie Bike-Sharing oder solide Fahrradabstellanlagen etablieren.
Kirsten ist zuversichtlich, dass das gelingt: „Der politische Wille ist bei den Entscheidenden vorhanden“, sagt er. Die pragmatische Planung komme bei den Bürger:innen und den Bürgermeistern gut an und die nächsten Projekte seien per Radverkehrskonzept abgestimmt. Außerdem sei der Ausbau der Radinfrastruktur mit relativ überschaubaren Mitteln möglich. „Wir bauen einen Kilometer Radweg für 250.000 bis 300.000 Euro“, sagt er. Der Bund bezuschusst über das Förderprogramm "Stadt und Land‘ die Projekte mit 85 Prozent. „Mit der Unterstützung können wir Radwege bauen“, sagt er. Für andere Straßenbauprojekte sei kein Geld vorhanden.
Kreis Steinfurt: Einheitliche Standards, Aufgaben teilen
Ohne die Förderprogramme des Bundes wäre auch der Bau der Triangel – ein 62 Kilometer langer Radweg, der im Kreis Steinfurt (Nordrhein-Westfalen) sechs Kommunen miteinander verbindet – nicht möglich gewesen. Der Radweg wurde 2023 fertiggestellt und ist seitdem die meist befahrene Strecke im Landkreis.
Besonders an Wochenenden wird es dort manchmal eng. Denn der Radweg durchs Grüne ist auch bei Familien und Hundebesitzer:innen beliebt. Auf den ehemaligen Bahntrassen laufen immer mal wieder Hunde an langen Leinen quer über den Radweg und Erwachsene bleiben unvermittelt stehen, um sich zu unterhalten. „Am Wochenende ist der Stress auf der Strecke vorprogrammiert“, sagt Jos ter Huerne vom ADFC Kreisverband Münsterland. Die Verwaltung habe bereits Schilder aufgestellt, die gegenseitig Rücksicht fordern. Doch für ter Huerne gibt es nur eine Lösung: Die Wege müssen breiter werden.
Udo Schneiders, Leiter des Amtes für Planung, Naturschutz und Mobilität in der Kreisverwaltung Steinfurt, kennt diese Kritik nur zu gut. Er hat die 62 Kilometer lange Veloroute mitkonzipiert. „Mancherorts würden wir sie gern verbreitern“, sagt er. Doch oft führt die Strecke über ehemalige Bahntrassen, wo der Platz begrenzt ist.
Koordination in einer Hand
Allerdings ist die Triangel ein gutes Beispiel für die interkommunale Zusammenarbeit im Kreis Steinfurt. Die Kommunen und der Kreis haben für die gesamte Strecke neue Standards vereinbart, konsequent umgesetzt und die Zusammenarbeit neu geregelt. „Jede Kommune hat einen Baustein des Projekts für die Gesamtstrecke bearbeitet, wie etwa das Bike-Sharing, die Beleuchtung oder die Abstellanlagen“, erklärt Schneiders. Entscheidend für den Erfolg war, dass einer der Partner das Projekt koordiniert. Das hat die größte und leistungsfähigste Verwaltung übernommen, der Kreis Steinfurt.
Schneiders und sein Team haben mit den Kommunen die Standards beschlossen wie etwa die Breite der Wege von drei Metern. „Auf einem der Wirtschaftswege haben wir Ausweichbuchten eingerichtet, damit sich Radfahrende und Landwirte sicher und komfortabel begegnen können“, berichtet Schneiders. Diese Lösung haben sämtliche Beteiligte in mehreren Vor-Ort-Terminen diskutiert und beschlossen – Landwirte, Planer und Vertreter der Behörden.
Diese interkommunale Zusammenarbeit und die hohen einheitlichen Standards will Schneiders Team nun im nächsten Projekt mit zehn Kommunen fortsetzen. Dieses Mal geht es um den fahrradfreundlichen Ausbau der Betriebswege entlang des Dortmund-Ems-Kanals (DEK) von Münster nach Norden bis über Rheine weiter ins Emsland. Am Mittellandkanal (MLK) vom Nassen Dreieck, wo sich der DEK und MLK treffen, werden die Betriebswege in Richtung Osnabrück ausgebaut. Die Gesamtlänge beträgt ca. 70 Kilometer.
„Politisch ist das Projekt beschlossen und die Planungen haben begonnen“, sagt Schneiders. Die Kommunen werden die Zubringer zu den Betriebswegen planen und umsetzen. Die Kreise werden die Betriebswege fahrradfreundlich umbauen, später auch unterhalten und den Winterdienst übernehmen.
Andrea Reidl

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